Endlich Ich ?

überarbeitet: 20. Februar 2012

Da nun das Ende meines Weges vom Mann zur Frau erreicht ist, will ich mal meine Geschichte aus aktueller Sicht zusammenfassen und am Ende die Frage beantworten: Endlich Ich ?

 

Seit 1981 - ich war da 16 - merkte ich das etwas mit nicht stimmte, da ich es schön fand Frauenkleidung anzuziehen. Im Schlafzimmer meiner Eltern hatte ich immer wenn "die Luft rein" war gern die Röcke und Blusen meiner Mutter "anprobiert". Das fand ich irgendwie "schön".  Deuten und zuordnen konnte ich das Phänomen aber nicht. Ich habe es vielmehr viele Jahre vor mir hergeschoben und nachts heimlich mal Blusen und Röcken angezogen die ich versteckt hatte.  Erst  am 26. Juli 2005, also vor gut sechseinhalb Jahren, war ich das erste mal als Frau in der Öffentlichkeit. Dieser Tag in Frankfurt am Main war "das" Schlüsselerlebnis überhaupt. Ich habe die Erlebnisse dieses Tages immer noch deutlich vor Augen. Was ich nicht wußte, war,  welche "Auswirkungen" dieses Erlebnis auf mich haben wird. Ich wußte seinerzeit nur, dass das der bisher schönste Tag in meinem bisherigen Leben war (s. Wer bin ich ? ).

 

Im Laufe der Zeit war, nein mußte,  ich dann in immer kürzeren Abständen wieder als Frau in die Öffentlichkeit, wobei ich immer darauf geachtet hatte, das mein Aussehen dezent und gepflegt ist um als "normale" Frau in der Menge nicht aufzufallen. Innerlich war ich immer noch der "Überzeugung", dass es ausreicht mein inneres weibliches Wesen nur ab und zu mal zu zeigen und als Frau gekleidet unterwegs zu sein. Das das bei mir nicht so ist, sollte mir erst später klar werden.

 

Da ich mein Geheimnis seit Frühjahr 2006 nicht mehr für mich behalten konnte - der innere Druck war einfach zu groß -  hatte ich mich Pfingsten 2006 meinen Eltern soweit geoutet, das ich mich ab und zu gern mal als Frau kleide und so auch in die Öffentlichkeit gehe. Meine Mutter hatte dabei zwar ziemlich heftig reagiert, aber ich war den Druck los, alles heimlich tun zu müssen. Nun konnte ich in meiner Wohnung "Claudias Sachen" offen hängen und liegen lassen und brauchte nichts mehr zu verstecken.

 

Seit Ende 2006 bekam ich immer wieder mal heftige Magenschmerzen, die mein Hausarzt (dem ich natürlich nichts von meinem inneren Wesen erzählt hatte) auf beruflichen Streß zurückgeführt hatte. Aber "soviel" Streß hatte ich in der Firma eigentlich nicht. Das mit den Magenschmerzen zog sich dann bis zum Herbst 2008 hin - immer mal wieder ein, zwei oder drei Monate Magenschmerzen, die nach einer Pause von vieleicht zwei Monaten wieder einsetzten.

 

Gleichzeitig war ich in dieser Zeit (Sommer 2008)  aber auch voll mit mir selbst beschäftigt, denn irgendwie wurde mir nun langsam klar, das ich in der äußeren Form als Mann auf Dauer nicht weiterleben kann (nein, Suizid-Gedanken hatte ich zu keiner Zeit, dazu ist das Leben einfach zu wertvoll). Jetzt stellte sich mir das Problem, das Herz und Verstand unterschiedlicher Meinung waren und ich das innerlich erst einmal "auseinander dividieren" mußte. Letztlich hat das Herz gewonnen.... Bis es aber soweit war, war es aber noch eine relativ harte Zeit.

 

Die Magenschmerzen erreichten im Herbst 2008 dann ihren Höhepunkt. Zu der Zeit hatte ich eine Bekannte besucht, die mir einen Rat - für mich DEN Rat - mit auf den Weg gegeben hat. Ich habe das seinerzeit erst als "Mumpitz" angesehen, aber innerlich hat es doch angefangen zu "wirken". Nach etlichen Wochen, es war der Jahreswechsel 2008/2009 gewesen, war mir klar geworden, was ich denn nun äußerlich sein muß und das ich das innere weibliche Wesen, welches ich im Prinzip schon immer in mir trage, nun auch äußerlich sein muß. Endlich hatte das Herz gewonnen und auch der Verstand hatte nun "kapiert", dass nur das der richtige Weg sein kann, der richtige Weg ist.

 

Nach dieser Erkenntnis waren die Magenschmerzen fast von einem auf den anderen Tag wie weggeblasen - und bis heute habe ich keine Magenschmerzen mehr gehabt. In der Ende Januar 2009 noch anstehenden Magenspiegelung (mein Hausarzt wußte Anfang Dezember nicht mehr weiter und hatte mich zu einem Gastroenterologen überwiesen) zeigte dann auch, das in Magen und Speiseröhre alles OK war.) 

 

Von da an gab es kaum noch einen Abend oder ein Wochenende, wo ich mich nicht als Frau zurecht gemacht hatte. Merkwürdiger Weise fiel es mir jetzt auch nicht allzu schwer, wenn ich mich ausnahmsweise mal nicht als Frau zurecht machen konnte. Und wenn mir der "duselige Kerl" aus dem Spiegel entgegen schaute, wußte ich das Ich das nicht bin.

 

Im März 2009 hatte ich mich dann meinen Eltern ein weiteres Mal geoutet. Aber da brauchte ich nicht mehr viel zu sagen. Sie hatten es schon geahnt, was kommen wird und mir ihre volle Unterstützung zugesichert. Danach hatte ich mich dann bei einer Psychologin angemeldet und bin von da an privat nur noch als Frau aufgetreten. Lediglich zur Arbeit habe ich mich noch "verkleidet", nach Feierabend aber gleich die Kleidung gewechselt und mich "aufgegehübscht". Meinen Urlaub im Sommer 2009 habe ich dann logischer Weise auch als Frau verbracht. Das war ein Erlebnis: drei Wochen war ich den "duseligen Kerl" los ... und endlich konnte ich diese Zeit so sein, wie ich nun mal war. Dieser Urlaub war für mich die letzte Bestätigung, das ich auf dem richtigen Weg bin.

 

Nach dem Urlaub hatte ich ab Herbst 2009 das Outing in der Firma weiter vorbereitet. Vor dem Urlaub hatte ich schon mal bei unserer Gleichstellungsbeauftragten "vorgefühlt", wie sie das Thema "Transsexualität" sieht.  Sie war da voll aufgeschlossen und hat mir Mut für das weitere Outing gemacht.

 

Meine Psychologin hat mir nach drei oder vier Sitzungen im Herbst 2009 dann gesagt, das bei mir wirklich Transsexualität vorliegt und ich nach Ihrer bisherigen Erkenntnis mit meinem Weg richtig liege. Nach der Therapie-Sitzung im November 2009 "durfte" ich mir einem Endokrinologen suchen, um mir weibliche Hormone verschreiben zu lassen. Es war zunächst gar nicht so einfach einen passenden Arzt zu finden, aber in der Nachbarstadt Hildesheim habe ich einen guten Facharzt gefunden. Nach einem ausführlichen Gespräch bei ihm und einer gründlichen Blut- und körperlichen Untersuchung Ende November 2009 hatte ich beim zweiten Besuch am 15. Dezember "das" Rezept für die Hormone (Östrogen und Progesteron) bekommen ...

 

Das Outing in der Firma hatte ich in der Zwischenzeit auch soweit abgeschlossen. Das ging leichter als ich zunächst gedacht hatte. Alle fanden das ziemlich mutig und hatten mir ihre volle Unterstützung zugesichert. Den Zeitpunkt für den ersten Auftritt in der Firma als "Frau K."  hatte ich in Absprache mit meinem Chef und der Geschäftsleitung auf den 22. Januar 2010, einen Freitag, festgelegt (es gab da dienstliche Gründe, genau dieses Datum zu wählen ...). Am Mittwoch vorher hatte ich eine Rundmail (1138 Empfänger) verschickt, in der ich meinen Rollenwechsel angekündigt habe. An dem besagten Freitag bin ich von meinen direkten Kolleginnen und Kollegen als "neue Kollegin" begrüßt worden. Als ich morgens kam, war das Türschild von meinem Büro schon ausgetauscht... smile 1. Als Resonanz auf meine Outing-Mail vom Mittwoch hatte ich weit mehr als 120 Antwort-Mails erhalten, in der mir "für den mutigen Schritt" gratuliert und Respekt zugesprochen wurde.

 

Nach dem ich nun äußerlich 100% Frau sein konnte, war ich den "duseligen Kerl" endlich los. So hatte ich nun die Kraft, um die Schritte zur Vornamensänderung und alles was dazugehört sowie die Klärung der weiteren Vorgehensweise mit  meiner Krankenversicherung einzuleiten. Die Bürokratie kostet ja auch Kraft und Nerven.

 

Im Sommer 2010 war ich zum Vorgespräch der geschlechtsangleichenden Operation (gaOP) bei Frau Prof. Dr. Krege in der Klinik für Urologie im Alexianer-Krankenhaus Maria-Hilf in Krefeld. Ich wurde auf die Warteliste gesetzt, als OP-Zeitraum wurde mir "Ende 2011" genannt.

 

Den rechtskräftigen Beschluß vom Amtsgericht Göttingen zur Vornamensänderung hatte ich dann kurz vor Weihnachten 2010, am 18. Dezember 2010, in den Händen gehalten. Mit diesem Beschluß konnte ich dann meine neuen Ausweise beim Meldeamt beantragen. Das Schreiben, in der mir meine Krankenversicherung die Kostenübernahme zusicherte, kam leider erst Ende Februar 2011. Dieses Papier brauchte ich, um bei Frau Dr. Krege die gaOP weiter voranzubringen. Nachdem ich eine Kopie dieses Briefes der Krankenversicherung an Frau Prof. Krege geschickt hatte, erhielt ich dann, wie imVorgespräch versprochen, schriftlich die Mitteilung, das mir als OP-Monat "November 2011" zugesichert werden kann. Den genauen Termin erhielte ich etwa sechs Wochen vorher.

 

Im Januar 2010 hatte ich parallel zu den anderen Dingen mit der Nadelepilation begonnen, bei der nach jetzt gut  85 Stunden ich auch ein Ende absehen kann. Seit einigen Monaten schon brauche ich mich nicht mehr zu rasieren. Das "harte Stoppelfeld" und die "Schweineborsten" sind "gerodet" und die Gesichtshaut glättet sich allmählich. Lediglich am Hals und an der Oberlippe kommen aber immer noch ein paar hartnäckige Härchen nach, die noch regelmäßig alle zwei bis drei Wochen genadelt werden müssen.

 

Am 5. Okober 2011 kam per Post der Brief aus Krefeld: "Ihre geschlechtsangleichende Operation ist für den 7. November geplant ... " Ich soll bereits am Sonntag, 6. November bis 10 Uhr erscheinen und zwei Wochen vorher die Hormone absetzen.

 

Die Operation ist komplikationslos verlaufen und die Heilung sehr gut vorangeschritten, so dass ich am Freitag, 18. November 2011 entlassen werden konnte. Vielen Dank dem gesamten Team im Krankenhaus Maria-Hilf in Krefeld.

 

Die zweite OP-Sitzung, die ich mit einem Brustaufbau verbunden hatte, war am 16. Februar 2012. Auch hierbei ist alles glatt verlaufen - es sieht gut aus. Die Brust sieht  jetzt ein paar Tage nach der OP schon gut aus. Ich bin gespannt, wie sie in ein paar Monaten aussieht, wenn alles richtig eingewachsen ist.

 

Damit bin ich aktuell am Ende meiner Geschichte und kann sicher sagen

 

Ja - Endlich ich !!!


 

Ich bin der Mensch der ich immer sein wollte, die Frau die ich innerlich schon immer war: Einfach Ich.

 

Seit Januar 2010 - seitdem ich 100% als Frau leben kann - verläuft mein Leben so, wie es mir immer vorgestellt habe. Ich genieße mich und meine Wirklichkeit. So entspannt, glücklich und ruhig war ich vorher in meinem ganzen Leben nicht. Ich habe zwar mehr als drei Jahre - vom ersten "Ausbruch" in die Öffentlichkeit  Ende Juli 2005 bis zur Erkenntnis im Januar 2009 - gebraucht um gänzlich zu mir zu finden. Aber es war genau die richtige Zeit die ich wirklich gebraucht habe. Von der "ganz langen" Zeit von 1981 an will ich hier mal  gar nicht mehr reden, denn eigentlich hat da ja die Geschichte schon begonnen.

 

Die beiden OPs waren jetzt quasi der Schlußpunkt um auch vom Körper her eine Frau zu sein und um mit mir endgültig ins Reine zu kommen. Schaue ich jetzt in den Spiegel, gibt es da keinen "duseligen Kerl" mehr ... Schon nach der ersten OP war ich  körperlich eine Frau - denn nun war das, was da nicht hingehört hat nicht mehr da. Nach der zweiten OP bin ich nun um so mehr Frau.

Meine ganzen Bedenken vor und während des Outings sind nicht eingetreten. Privat als auch beruflich bin ich sofort als "Frau Claudia" akzeptiert worden. Meine berufliche Kompetenz nach dem Outing, die ich 2008 noch in Frage gestellt hatte, wurde nicht im geringsten beeinträchtigt. Ich habe sogar das Gefühl, das sich diese eher etwas gehoben hat.

 

Ich danke Allen, die mir auf meinem Weg geholfen und mich unterstützt haben und es noch immer tun!

 

Nun fehlen nur noch ganz wenige Kleinigkeiten:
So denke ich z. B. darüber nach, meine Stimme durch Logopädie etwas weiblicher klingen zu lassen. Sollte das nicht klappen, ist das halt so. Eine Stimmband-OP schließe ich für mich aufgrund der hohen Risiken aus. Ferner denke ich darüber nach, meinen recht großen Adamsapfel  ("Schildknorpel") verkleinern zu lassen. 

 

Zum Abschluß will, bzw. muß ich noch auf eine Frage eingehen, die mir vor kurzem mal gestellt wurde:

"Hast Du es schon mal bereut, den Wechsel vom Mann zur Frau gemacht zu haben ? Als Mann hast Du ja schließlich weit mehr als 40 Jahre Deines Lebens verbracht und bist auch zurecht gekommen. Hättest Du so nicht als Mann weiterleben können ?"

"Nein, nein und nochmals nein!"
Das hätte ich nicht gekonnt, dann hätte ich früher oder später andere Probleme bekommen. Obwohl ich wußte, das der Weg nicht einfach sein würde - was er ja auch wirklich nicht war - war er der für mich einzige Weg um zu mir zu kommen. Ich habe zwar mehr als 45 Jahre als Mann verbracht und irgendwie zurecht gekommen bin ich auch. Aber nur so irgendwie eben. Ich habe halt solange es ging, mehr oder weniger eine Rolle gespielt, um nach außen so zu sein, wie man es von einem Mann erwartet. Innerlich war ich immer schon "ganz anders" ... Machohaftes Verhalten, "Dreitage-Bärte" etc. waren für mich immer irgendwie abstoßend und ich hatte es für mich immer abgelehnt. 

 

"Ich selbst" konnte ich viele Jahre nur nachts (s. "Wer bin ich") sein. Nein, ich habe keinen Fehler gemacht und den für mich richtigen Weg gefunden. Und so gut wie jetzt ist es mir vorher nie gegangen. Ich würde den Weg wieder gehen, nur erheblich früher oder lieber gleich als Mädchen geboren werden.

 

Trotzdem: verleugnen kann und werde ich meine Vergangenheit nicht. So war ich eben und so haben mich meine  Verwandte und Bekannten, Schulkameraden, Mitstudenten und Kollegen eben gekannt.

 

 

Warnung

An dieser  Stelle möchte ich noch eine Warnung an alle Mann-zu-Frau-Transsexuellen (MzF-TS) geben.

Viele MzF-TS glauben, erst durch die geschlechtsangleichende Operation zur Frau zu werden: Weit gefehlt, meine Damen. Die Operation mag zwar die Krönung sein, eine "bessere Frau" oder "schönere Frau" wird man durch die OP ganz sicher nicht. Frau ist man eben oder man ist es nicht. Man wird jedoch nicht durch die OP zu einer Frau!

Ich weiß, das diese Meinung durchaus kontrovers gesehen wird und zu Diskussionen führen kann: Wer das Thema anders sieht darf mir gern eine E-Mail schreiben.

 

Wer nie sein Brot mit Tränen aß,
wer nie die kummervollen Nächte auf seinem Bette weinend saß,
der kennt euch nicht,
ihr himmlischen Mächte!
Goethe


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© Claudia K.