Outing bei meinen Eltern

August 2007

Zu meinen Eltern hatte und habe ich immer ein sehr gutes Verhältnis. Von "Claudia" konnte ich ihnen aber die ganzen Jahre nichts erzählen. So bildete sich in mir eine "Last", die immer schwerer wurde. Ich mußte was tun, um diese Last loszuwerden. Erzähle ich meine Geschichte ? Wie geht sie aus ? Hingehen und sagen: “Schaut mal, das auf dem Bild bin ich ? Klingt einfach, ist es aber nicht wirklich. Also habe ich im Frühjahr 2006 begonnen, das ganze zu schreiben und meine Gefühle zu beschreiben.  Puuh, das war nicht einfach, denn ich wußte ja nicht, was sie über das Thema überhaupt wissen und wie sie reagieren werden. Brief und Bilder wollte ich Ihnen eigentlich am 1. Geburtstag, also am 26.07.2006 überreichen. Aber es kam anders und auch meine Eltern, besonders meine Mutter, haben anders reagiert, als ich gedacht und gehofft hatte.

 

Was war passiert ? Donnerstag vor Pfingsten 2006 hatte ich begonnen, mir die Haare von den Armen zu epilieren ("Frau" hat ja schließlich keinen "Wald" auf den Armen ...) und die Haut hat mit häßlichen roten Pusteln reagiert, die  nur äußerst langsam zurück gingen. Am Pfingstsamstag abend hatte dies meine Mutter zufällig gesehen. "Was hast Du denn da auf den Armen für rote Flecken?" fragte Sie mich. "Das ist ganz normal ...". Sie wollte und konnte mir nicht glauben, das dies "normal" ist und unterstellte mir irgendwelche obstrusen Machenschaften. Das die Haare weg waren, hatte sie gar nicht mal richtig bemerkt. Die Pusteln waren die Kata­strophe. Ich solle doch "morgen" mal zu ihr kommen, sie würde sich das näher ansehen. Man müsse ja was gegen die roten Flecken unternehmen. Da war's also passiert. Was tun? Irgend eine "Geschichte" würde sie mir sowieso nicht glauben, egal was ich ihr "erzählen" würde. So hatte ich mich entschlossen, "jetzt" die Flucht nach vorn anzutreten und mich noch Pfingsten zu outen. Bis Ende Juli hätte ich nun nicht mehr warten können, das hätte ich auch gar nicht geschafft.

 

Also habe ich in der Nacht zu Pfingstsonntag den fast fertigen Brief zu Ende geschrieben und einige Bilder fertig gemacht. Pfingstsonntag (4. Juni)  nach dem Nachmittagskaffee habe ich meinen Eltern den Brief mit den Worten "Bitte lest mal, ich muß euch was Wichtiges über mich sagen" gegeben. Danach bin ich gegangen. Nach gut einer Stunde kam mein Vater zu mir, und sagte ich solle mal mitkommen, wir müßten mal reden. Oh, oh, das klingt nicht gut. So war es denn auch: Meine Mutter saß im Sessel, heulte und faselte was von "Maskerade" und man soll die Menschen so lassen, wie Gott sie gemacht hat. Mit "Geh, ich habe keinen Sohn mehr!" hat sie  mich wieder weggeschickt. Ich muß sie tief getroffen haben. Das sie nicht begeistert sein würde, war mir klar. Aber das sie so heftig reagiert, hatte ich nicht gedacht. Hätte ich "es" doch lieber für mich behalten sollen ? War das jetzt richtig ? Im ersten Augenblick wußte ich gar nichts mehr und auch mir standen die Tränen in den Augen, denn so kannte ich meine Mutter nicht und diese Reaktion war auch hart für mich.

 

Jetzt, im nachhinein betrachtet, habe ich aber das einzig richtige getan. Die Flucht nach vorn und mich zu outen war genau richtig. Aber Pfingstsonntag abend - nach dem Outing - hatte ich das Gefühl, alles falsch gemacht zu haben. Ich habe es noch immer vor Augen, wie mein Vater zu mir kam und mich bat, mal mitzukommen und meine Mutter heulend im Sessel saß.

 

Noch mehrere Wochen ist mir meine Mutter dann sehr distanziert begegnet. Besonders glücklich war aber auch mein Vater nicht. Nur hat er es sich wohl nicht so stark anmerken lassen. Einige Tage später hatte ich dann meinem Vater noch einige Texte und Artikel zum Themenbereich T* hergesucht und ausgedruckt, damit wenigstens er sich damit auseinandersetzen konnte, auch in der Hoffnung, meiner Mutter davon etwas weiterzugeben.

 

Obwohl meine Mutter so unerwartet und heftig reagiert hat, war ich aber meine "Last" los. Nun mußte ich in meinem Reich nichts mehr verstecken, was auf "Claudia" hindeutet. Endlich konnte ich Kleidung,  Schmink-Utensilien, Bilder, etc. offen hängen und liegen lassen. Neue Bilder hatte ich absichtlich offen auf meinem Schreibtisch liegen gelassen und Ihnen sogar auch mal direkt gezeigt. Im Herbst 2006 meinte mein Vater mal "Siehst wirklich gut aus. Wir haben wirklich eine schöne 'Tochter'". Das tat richtig gut. Sollte das die Wende sein ? Meine Mutter war da aber immer noch, vorsichtig ausgedrückt, etwas "zurückhaltend".

 

Im November 2006 kam meine Mutter gerade mal zu mir, als ich mal wieder dabei war, Sachen für die nächste Reise nach Frankfurt einzupacken. "Na, machst'ste morgen wieder Maskerade ?" fragte sie nur und ging wieder. Am übernächsten Tag, als ich wieder zurück war, hatte ich unter einem Vorwand meine Mutter zu mir gebeten und provokativ den Koffer in der Ecke stehen gehabt. Mein Vorhaben ging auf: während ich mit ihr die Kleinigkeiten besprach, schaute sie dauernd zu dem Koffer rüber ... 

 

Ich habe sie dann gefragt "Na, wollen wir da mal zusammen reingucken?". "Na, wenn'de meinst ... ".
Ich machte also den Koffer auf und sie schaute sich alle Kleidungsstücke an. "Das sind ja ganz normale Sachen !" meinte sie nur. Was mag sie gedacht haben, seien das für Kleidungsstücke ? Was hätte "Claudia" Ihrer Ansicht nach getragen ? Sie kannte ja schließlich die Bilder. "Und in den Pumps und Sandaletten kannst Du laufen ?"  Insgsamt muß sie beeindruckt gewesen sein, einmal von den Kleidungsstücken selbst, von den großen Damenschuhen und das ich darin laufen kann (ich hab's ihr vorgemacht) und letztlich auch von meiner "kleinen" Kleidergröße. ("44" bzw. bei Röcken "40").

 

Seit diesem Abend ist das Eis zwischen meiner Mutter und "Claudia" gebrochen und ich bzw. "Claudia"  kann mit Ihr wirklich über alles reden.  Nun fragt sie sogar mich, ob sie dies oder jenes zusammen tragen kann. Neulich hat sie mir sogar einen wirklich schönen Rock von sich mitgebracht, der ihr zu weit ist. "Bevor der bei mir nur im Schrank hängt, zieh' Du ihn an. Dir müßte er passen". Tut er, ich hatte ihn schon an (s. Bild).

 


Nachtrag

März 2009

In dem Brief Pfingsten 2006 hatte ich mich meinen Eltern nur soweit geoutet, als das ich hin und wieder  gern weibliche Kleidung trage und mich als Frau auch in der Öffentlichkeit bewege. An einen dauerhaften Rollenwechsel hatte ich damals selbst noch nicht geglaubt.

 

Nachdem für mich Ende 2008 die Erkenntnis gereift ist, was ich wirklich bin, mußten meine Eltern auch dieses erfahren. Nach mehreren vergeblichen Versuchen habe ich mich am 22. März 2009 bei meinen Eltern ein zweites Mal geoutet.


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© Claudia K.