Berufliches Outing

14. Februar 2010

Vor dem berufliche Outing hatte ich ja bekanntlich die größte Angst (siehe  Wie ich mich sehe - Fortsetzung). Jetzt im Nachhinein kann ich sagen, daß ich mir diese Angst nur selbst "gemacht" habe. Wie heißt es so schön: Hinterher ist man immer schlauer als vorher smile 1 ... aber der Reihe nach. 

Ich habe das Glück, das es in unserer Einrichtung eine Gleichstellungsbeauftragte gibt, die unabhängig von der Geschäftsleitung ist. Ihr hatte ich mich bereits am 26. Juni 2009 anvertraut, um mal "vorzufühlen" wie sie meine Situation sieht. Schon bei dem Gespräch, welches fast zwei Stunden gedauert hat (Vielen Dank für die Zeit Frau G.) war ich richtig überrascht wie locker und selbstverständlich sie "das" aufgenommen hat.

Auch über die drei Punkte meiner (damals) offenen Fragen habe ich mit ihr bei den Gespräch geredet:

  • Werde ich mein Aufgabenfeld behalten oder werde ich versetzt ? ("... jeder ist ersetzbar!" oder "Für den Kundenkontakt ist "so einer wie Sie" nicht geeignet".) 
  • Wie erkläre ich den Kunden, Vertretern, Technikern und Kooperationspartnern das sie es in Zukunft nicht mehr mit "Herrn K" sondern mit "Frau K" zu tun haben ?
  • Werde ich dann noch genauso kompetent angesehen, wie ich es heute bin ? (... Wer "so" ist, dem traut man auch keine fachliche Kompetenz (mehr) zu ... )

Sie hat in keiner der  Fragen Probleme gesehen: "Dann machen Sie das eben als Frau K." Okay ... Ob ich das wirklich so entspannt sehen kann ? Anfänglich hatte ich da noch so ein paar kleine Zweifel.

In meinem Urlaub, den ich 2009 das erste mal vollständig als Frau verbracht habe (ja, es war einfach nur großartig) habe ich viel "gelernt" und habe immer wieder an das Gespäch mit der Gleichstellungsbeauftragten gedacht.

Nach dem Urlaub gab es dann dienstlich viel zu tun, so das ich das Gespräch mit meinem direkten Chef  und Leiter meiner Facheinrichtung immer wieder nach hinten geschoben habe. Am 28. Oktober 2009 hatte ich dann endlich einen Termin für ein Gespräch ihm. Es war ein wirklich lockeres Gespräch, wenn gleich ich hinterher das Gefühl hatte, er brauche jetzt etwas Zeit, "das" selbst zu verarbeiten. In dem Gespräch bittet mich mein Chef, das Outing der Firma nicht zu Überstürzen und es auf die bei uns ruhigere Zeit ab Mitte Januar zu legen. Dann kann ich mit seiner Unterstützung rechnen... Ferner bittet er mich, bald die Geschäftsleitung zu informieren, damit er sich dort frei über mich austauschen kann. Uff, die Hürde ist genommen. 

Bevor ich zur Geschäftsleitung gegangen bin, hatte ich am 2. November 2009 ein weiteres Gespräch mit der Gleichstellungsbeauftragten. Ich wollte einfach nochmal mir ihr reden. Parallel hatte ich mir aber schon einen Termin beim Hauptamtlichen Vizepräsidenten besorgt, der bei uns gleichzeitig Personalchef ist. Dieses Gespräch fand dann am 17. November 2009 statt. Er hat sich meine Geschiche angehört, fand es mehr oder weniger völlig normal und hat mir seine Unterstüzung zugesichert. Das das "so" einfach sein kann, damit habe ich nicht mal ansatzweise gerechnet. Zum Abschluß fragte er mich noch, ob er meine Geschichte nun dem Präsidenten mitteilen soll, oder ob ich das doch selbst tun wolle.

"Doch, das mach' ich selbst ..." habe ich spontan gesagt.  Das Gespräch mit dem Präsidenten fand dann gleich zwei Tage später statt. Auch er hat sich meine Geschichte angehört und mir seine volle Unterstützung zugesichert. Ich bräuchte mir keine Gedanken zu machen. "... in einem halben Jahr weiß errinert sich nicht mal einer mehr daran, das Sie mal "anders" ausgesehen haben" sagte dann zum Ende des Gesprächs.  Wann immer ich seine Unterstützung brauche, darf ich vorbei kommen. In der folgenden Woche habe ich dann noch die beiden anderen Vizepräsidenten und Präsidiumsmitglieder in einem kurzen Gespräch informiert. Auch hier habe ich nur Zustimmung und Respekt erfahren. Somit steht das gesamte Präsidium hinter mir, alle haben mein Outing ohne Vorbehalte aufgenommen und mir ihre Unterstützung zugesichert.

Jetzt brauchte ich also "nur" noch meine direkten Kollegen der Abteilung zu informieren. Die gesamte Belegschaft, so hatte ich mit meinem Chef und dem Personalchef vereinbart, informiere ich über meinen Rollenwechsel in einer Rundmail ein bis zwei Tage vor dem Tag "X", den wir gemeinsam auf den 22. Januar 2010 festgelegt hatten.

Bevor ich weitere Kollegen informiert habe, hatte ich mit dem stellvertretenden Chef gesprochen. Er fand "das" mutig und "völlig normal". Das ist allein meine Angelegenheit und er hat keine Probleme damit, mich als Kollegin zu sehen und zu akzeptieren.

An meinen letzten Arbeitstag vor der Weihnachtspause hatte ich am 16. Dezember 2009  noch mit meinem Kollegen gesprochen, mit dem ich das Büro teile. Auch für ihn ist es überhaupt kein Problem, eine Kollegin zu haben.

Über die Weihnachtspause hatte ich den Text für die Rundmail geschrieben. (Aus persönlichen Gründen möchte ich diesen aber nicht hier auf der Webseite veröffentlichen. Wer Interesse hat, sendet mir bitte eine E-Mail.)

Bei meinen direkten Kollegen der Abteilung (etwa 45) hatte ich mich in der ersten und zweiten Arbeitswoche 2010 in den jeweiligen Arbeitsgruppen geoutet, denn ich wollte sie nicht mit einer "schnöden" Rundmail informieren, dafür ist mir das Thema zu heikel. Dieses Vorgehen war sehr gut angekommen. Bis auf vielleicht mal ein Grinsen im Mundwinkel hatte ich auch hier nur positive Resonanz erhalten.

Am 20. Januar hatte ich am frühen Nachmittag die Rundmail an die Belegschaft "losgelassen". Neben mehr als 600 festen Personen, waren auch weitere gut 500 Lehrbeauftragte und Dozenten dabei. Insgesamt ging diese Mail an 1138 Empfänger. Am nächsten Tag hatte ich mir dann aus meinem Mailpostfach weitere Personen wie Firmenvertreter, Techniker etc. herausgesucht mit denen ich im Verlauf der letzten Monate zu tun hatte und eine weitere Sammelmail mit ca. 100 Adressaten zusammengestellt.

Jetzt blieb mir - unabhängig der bisherigen positiven Resonanz beim Outing - nur zu wünschen, daß mich meine Kolleginnen und Kollegen auch wirklich so akzeptieren, wie ich nun mal bin. Egal, in welcher äußeren Erscheinung  ich auftrete ... denn mehr als die Optik ändert sich ja nunmal nicht. Ich bin immer noch der gleiche Mensch, wenn auch in anderer äußerer Erscheinung.

Am 21. Januar habe ich mein Büro dann das letzte Mal als "Herr K." verlassen, am 22. Januar 2010 war mein erster Arbeitstag als Frau. Und? Nichts und !!! Es ist völlig normal weitergegangen. Als ich kam, war sogar schon das Türschild ausgetauscht smile 1 ...  Alle haben mich, von Versprechern mal abgesehen, als Claudia bzw. Frau K. angesprochen. Ich war sofort als Kollegin integriert. Hätte ich doch bloß vorher gewußt, daß es letztlich doch "so" einfach sein wird ...

An dieser Stelle ganz herzlichen Dank an das Präsidium, an meinen Chef und alle meine Kolleginnen und Kollegen.


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© Claudia K.